Die Beckmann-Klasse

Karl Tratt: Atelierszene (Georg Heck, Karl Tratt, Marie-Louise von Motesiczky, Friedrich Wilhelm Meyer, Anna Krüger), 1928, Öl auf Leinwand, Sammlung Giersch, Frankfurt am Main
Beckmann hat unsere Klasse an der langen Leine geführt. Aber sein Einfluß war da. Doch nicht als Diktat. Hier war eine Klasse, die ihre Selbständigkeit erprobt hatte. Die Aufgaben wurden gestellt von ihm oder von uns. Und dann wurde es gemacht. Kritik von außen war uns gleichgültig.
Georg Heck
Am 6. Oktober 1925 berief der Magistrat der Stadt Frankfurt Max Beckmann als Leiter einer Meisterklasse an die neu organisierte Städelschule. Fritz Wichert war der Motor hinter der Idee, den damals bereits berühmten Künstler auch weiterhin an die Stadt am Main zu binden. Das Beckmann’sche Meisteratelier wurde organisatorisch der Klasse für Freie Kunst von Professor Cissarz angegliedert.
Beckmann konnte sich als Lehrer gewisse Sonderkonditionen sichern, so neben einem Jahresgehalt von 10.000 Mark insbesondere die Freiheit, kommen und gehen zu können, wann er wollte. Diese Bevorzugung erweckte den Unmut einiger anderer Lehrer, der noch gesteigert wurde, weil Wichert sich das Recht vorbehalten hatte, besonders begabte Schüler*innen in die Klasse Beckmanns zu versetzen.
So auch Georg Heck, der 1928 von Cissarz zu Beckmann wechselte. Dort traf er Theo Garve und Karl Tratt, die bereits von Anfang an in der Beckmann-Klasse waren, aber auch Walter Hergenhahn, Carla Brill und Friedrich Wilhelm Meyer, die wie er erst kürzlich hierher gewechselt hatten, sowie Inge Dinand, die aus der Klasse von Christian Peter Rasmussen hinzustieß. 1930 vervollständigte Leopold Mayer die Gruppe. Hinzu kamen noch einige unregelmäßig oder kurzzeitig von Beckmann betreute Schüler und Schülerinnen wie Marie-Louise von Motesiczky, Anna Krüger und Hella Mandt. Aber die Zahl der „Beckmänner“ blieb überschaubar.
Beckmann hatte, als er in Frankfurt begann, keinerlei Erfahrung als Lehrer. Üblicherweise stellte er eine Aufgabe, ließ die Schüler*innen daran arbeiten und erschien dann zur Korrektur, anfangs noch alle acht bis 14 Tage, später nur noch einmal monatlich. Die Korrektur begann mit einer intensiven Betrachtung – immer scheint er die Schülerarbeiten ernst genommen zu haben –, der ein wortkarges Urteil folgte. Die meisten seiner Schüler*innen, wie auch Georg Heck, betonten im Rückblick, dass Beckmann zwar einen großen Einfluss ausübte, aber den Lernenden stets ihre Selbstständigkeit beließ, ja, sie dazu ermunterte, ihren eigenen Weg zu finden.
Dass Beckmann seine Schüler*innen respektierte, zeigte sich beispielsweise in einer geplanten Zusammenarbeit mit Leopold Mayer, von dessen Aquatintablättern er fasziniert war. Georg Heck wiederum empfahl er für die Ausführung eines Wandbildes im Casino des IG-Farben-Gebäudes.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten beendete die Tätigkeit Beckmanns in Frankfurt: Sein Dienstvertrag wurde am 31. März 1933 mit Wirkung zum 15. April gekündigt. „Wie eine Bombe ist der Beckmann-Kreis 1933 auseinandergeflogen“, erinnerte sich Georg Heck viele Jahre später.