Bücherverbrennung auf dem Frankfurter Römerberg am 10. Mai 1933

Gedenkplatte zur Bücherverbrennung auf dem Frankfurter Römerberg
Das Lärmen und Gejohle steigerte sich. Und aus Richtung Schauspielhaus hörte man die Töne einer Blaskapelle. Sie wurden immer lauter. Und dann kam der Zug. Voran die Kapelle, die einen Trauermarsch intonierte. […] Nach der Kapelle, vor allen anderen, gingen gemessenen Schrittes die Herren Professoren und Dozenten. […] Und dann kamen auch schon die Ochsengespanne, zwei oder drei, mit den zur Verbrennung ausgewählten Büchern. Dahinter die Korporationen. […] Dann begann die Verbrennung der Bücher und Schriften. Hell auf loderten die Flammen, Buch um Buch, Zeitung um Zeitung flog in das Flammenmeer, und Hochschulgruppenführer Müller verkündete mit weithin schallender Stimme die Namen der Autoren, deren Werke der Vernichtung anheimfielen.
Valentin Senger berichtet 1983 von seinen Erlebnissen
als 14-Jähriger am 10. Mai 1933 auf dem Römerberg
Bereits drei Monate nach der Machtergreifung Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 fanden in vielen deutschen Städten Bücherverbrennungen statt, so auch in Frankfurt. Die Aktion wurde von der Deutschen Studentenschaft organisiert – ein erster symbolischer Akt gegen alles Denken, das von den Nationalsozialisten als „undeutsch“ verfemt wurde, ob nun aus politischen, rassistischen, antisemitischen oder geschmäcklerischen Gründen. Georg Heck berichtete später, dass bei der Frankfurter Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auch einige seiner Arbeiten ins Feuer geworfen worden seien.
Den Leitfaden für die Auswahl der zu vernichtenden Bücher bildeten sogenannte „Schwarze Listen“, die sich mit Namen wie Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger und Klaus und Heinrich Mann wie ein Who’s who der deutschen Literaturgeschichte lesen. In Frankfurt wie andernorts waren die öffentlichen Bibliotheken, Schul- und Volksbüchereien, aber auch Privathaushalte aufgefordert, die entsprechenden Bücher bei der Sammelstelle an der Universität abzugeben. Von dort brachte man sie am Abend des 10. Mai auf von Ochsen gezogenen Karren, begleitet von Studierenden, Dozenten sowie SA- und SS-Männern, auf den Römerberg, wo der Zug gegen 21 Uhr ankam. In einer Zeitung wurde später betont, es habe sich um Karren gehandelt, mit denen üblicherweise der Mist auf die Felder gebracht wurde.
Der Scheiterhaufen war zwischen Gerechtigkeitsbrunnen und Alter Nikolaikirche aufgebaut – die Stelle kennzeichnet seit 2001 eine in den Boden eingelassene Plakette. Bevor das jeweilige Buch den Flammen übergeben wurde, verlas man einen vorformulierten Schandspruch. Dann warf man es unter dem Johlen der Menge – 15.000 sollen es in Frankfurt gewesen sein – in die Flammen.
Dieser erste Höhepunkt kultureller Vernichtung richtete sich symbolisch primär gegen schöngeistige Literatur, auf den „Schwarzen Listen“ standen aber auch einige kunsthistorische Bücher und Reproduktionen von Graphik, so etwa die Mappe Der Krieg von Otto Dix. Die Vernichtung von Gemälden oder Originalgraphiken ist nicht überliefert. Allerdings dienten die Listen nur der Orientierung, und es war durchaus gewünscht, diese lokal zu erweitern. Im Mai 1933 war Karl Berthold, ein Hanauer Goldschmied und linientreuer Nationalsozialist, kommissarischer Leiter der Städelschule und als solcher bereits für die Entlassung von Schlüsselfiguren der Frankfurter Moderne wie Fritz Wichert, Max Beckmann und Willi Baumeister verantwortlich. In diesem Klima scheint es durchaus möglich, dass Werke Hecks in dieser Mainacht auf dem Römerberg verbrannten.