Georg Hecks Wandgemälde im IG-Farben-Haus, Frankfurt

Kat. 005
Georg Heck: Wandbild, 1936, Casino des IG-Farben-Hauses, heute Goethe-Universität Frankfurt, Fresko, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Bereits 1928 gab es Pläne, Max Beckmann mit einem Wandbild im IG-Farben-Haus zu beauftragen. Die treibende Kraft dahinter war wohl Lilly von Schnitzler, Mäzenin Beckmanns und verheiratet mit Georg von Schnitzler, Vorstandsmitglied des Chemiekonzerns IG Farben. Wahrscheinlich vermittelte Beckmann schon im Folgejahr den Auftrag an seinen Schüler Georg Heck.
Der Firmensitz der IG Farben war nach Plänen des Architekten Hans Poelzig zwischen 1928 und 1931 im Frankfurter Westend errichtet worden. Das Wandgemälde sollte einen Salon im Casino, einem nachgelagerten Gebäude, schmücken. Wann genau Heck das Gemälde ausführte, ist nicht bekannt. In seinem Wiedergutmachungsantrag gab er an, dass er 1934 für das Wandbild 1.000 Mark bezogen habe und dass es bereits 1935 wieder überstrichen worden sei. Dagegen spricht allerdings, dass das Gemälde mit „Heck 1936“ signiert ist. Möglicherweise erfolgte die Übertünchung also erst später, vielleicht sogar erst nach 1937, als die NS-Kunstdoktrin mit der Aktion „entartete Kunst“ die gesamte Moderne verfemte.
1949 gab es erste Pläne, das Gemälde wieder freizulegen – damals noch von der amerikanischen Militärregierung, die nach dem Krieg im IG-Farben-Haus ihr Hauptquartier eingerichtet hatte. Erst 2006 wurden diese dann tatsächlich umgesetzt, das Gebäude war inzwischen von der Goethe-Universität übernommen worden. Das Fresko ist somit heute als ein Hauptwerk Georg Hecks der Öffentlichkeit wieder zugänglich – freilich mit deutlichen Fehlstellen, Spuren seiner Geschichte.
Heck wählte eine von sechs Figuren bevölkerte, arkadisch anmutende Landschaft als Thema für das dreieinhalb mal fünf Meter große Wandbild. Die Figuren auf dem Bild scheinen seltsam vereinzelt und aus der Zeit gerückt in ihren antikisierenden Gewändern. Sie sitzen und stehen in einer Gartenlandschaft, die nach hinten von einer weißen Mauer begrenzt ist. Am rechten und linken Bildrand tragen zwei Frauen Füllhörner herbei, daneben treten zur Mitte hin zwei weitere weibliche Figuren auf, die eine stehend mit einer Taube auf der Hand, ein Kind hält sich an ihrem Rock fest, die andere sitzt auf der Mauer und spielt Mandoline. Zwischen den beiden Frauen, etwas nach hinten versetzt, erscheint ein Flöte spielender Jüngling.
Weiteren Aufschluss über das Thema gibt ein im Bild angebrachtes Schriftband: „Komm! Es war wie ein Traum! Die blutenden Fittiche sind ja schon genesen, verjüngt leben die Hoffnungen all!“ Die Zeilen entstammen einem Klagegedicht von Friedrich Hölderlin, das der Dichter um 1800 verfasste, und zwar als Höhepunkt einer Folge von Gedichten, in denen er seinen Abschied von Susette Gontard verarbeitete. Hölderlin hatte zwischen 1796 und 1798 in Frankfurt als Hauslehrer der Gontards gelebt. Bald verband ihn eine Liebesbeziehung zur Hausherrin, die er in seinem Werk als Diotima, eine Figur aus Platons Symposion, überhöhte. Überliefert ist unter anderem die Hausmusik im Hause Gontard, bei der Susette Klavier spielte, Hölderlin Flöte und Marie Rätzer, die Hauslehrerin, Gitarre. Es scheint so, als wären die drei Protagonisten dieser Hausmusik auf Hecks Bild nochmals zusammengekommen, wobei Susette, ohne Instrument, mit der Frau mit Taube zu identifizieren wäre – die schon durch ihre Positionierung im Bildvordergrund hervorgehoben und zudem durch die Taube als Symbol der Liebesgöttin Aphrodite ausgezeichnet ist.
Es wundert nicht, wenn Lilly von Schnitzler, die wahrscheinlich die Themenfindung beeinflusst hat, dieses Sujet aus der Frankfurter Geschichte zur Darstellung wählte – das Heck perfekt in ein Bild umsetzte, über dem der Zauber der Liebe und der Musik zu schweben scheint.
So will ich, ihr Himmlischen! denn auch danken, und endlich
Friedrich Hölderlin, Menons Klagen um Diotima, 9. (und letzte) Strophe
Atmet aus leichter Brust wieder des Sängers Gebet.
Und wie, wenn ich mit ihr, auf sonniger Höhe mit ihr stand,
Spricht belebend ein Gott innen vom Tempel mich an.
Leben will ich denn auch! schon grünt's! wie von heiliger Leier
Ruft es von silbernen Bergen Apollons voran!
Komm! es war wie ein Traum! die blutenden Fittiche sind ja
Schon genesen, verjüngt leben die Hoffnungen all.
Großes zu finden, ist viel, ist viel noch übrig, und wer so
Liebte, gehet, er muß, gehet zu Göttern die Bahn.
Und geleitet ihr uns, ihr Weihestunden! ihr ernsten,
Jugendlichen! o bleibt, heilige Ahnungen, ihr
Fromme Bitten! und ihr Begeisterungen und all ihr
Guten Genien, die gerne bei Liebenden sind;
Bleibt so lange mit uns, bis wir auf gemeinsamem Boden
Dort, wo die Seligen all niederzukehren bereit,
Dort, wo die Adler sind, die Gestirne, die Boten des Vaters,
Dort, wo die Musen, woher Helden und Liebende sind.
Dort uns, oder auch hier, auf tauender Insel begegnen,
Wo die Unsrigen erst, blühend in Gärten gesellt,
Wo die Gesänge wahr, und länger die Frühlinge schön sind,
Und von neuem ein Jahr unserer Seele beginnt.